Macht Glück wirklich dauerhaft glücklich?
Seine Perspektive entlastet die Menschen, die nicht ständig nach Glück, Zufriedenheit und Wohlbefinden streben können. Unglücklichsein, Schmerz und Leid gehören zum Leben und sind ein Teil einer tieferen und ganzheitlichen Erfahrung. Er bietet hier wirkliche Ermutigung. Denn das Glück ist in jedem Haus des Menschen ein Zimmerchen, in das man gelegentlich gern geht, in dem man aber keineswegs ständig verweilen KANN oder SOLL.
Er räumt auf mit dem uns täglich umgebenden Glückswahn, und nimmt dem "normativen" Glücklich-sein gegenüber eine kritische Perspektive ein:
"Gläser sind nicht immer nur halb voll oder halb leer,
sondern gelegentlich auch mal ganz leer."
Denn nichts macht unglücklicher als diesen unausweichlichen Lauf des Lebens dauerhaft zu negieren zu versuchen.
"Je heftiger Menschen auf dem Positiven beharren,
desto tiefer stecken sie im Negativen fest".
Er zeigt auf, Glück muss atmen können, d.h. es braucht auch mal eine Auszeit.
Nachdem er sich in anderen Büchern mit dem Streben nach Glück beschäftigt hat, u.a. mit seinem Bestseller "Glück" aus dem Jahr 2007, begreift er nun selbst, dass Glück nicht das Wichtigste im Leben sein kann oder gar muss. Deshalb greift er nun das in unserer Zeit ach so unbeliebte UNGLÜCKLICHSEIN auf. Er hinterfragt die einseitige Glücksdebatte und die Schattenseiten der Annahme, wer unglücklich ist, sei selbst dran schuld. Er zeigt die Anstrengung auf, die die Pflicht zum Glück für Menschen heute bedeuten kann. Er erklärt, warum der Glücksstress, der sich daraus ergibt, nicht wirklich glücklicher macht und sogar unglücklich machen kann.
Das Buch ist ein Plädoyer für das Existenzrecht all derer, die vom Glück vielleicht nur träumen können. Er bemüht sich um eine Ehrenrettung des Unglücklichseins, zeigt Wege auf, wie dies besser bewältigt werden kann. Seine Darlegungen sind praktisch und verständlich und bieten konkrete Beispiele aus einer bodenständigen Welt. Es gibt eine absolut nachvollziehbare Anregung, die eigene Perspektive zu erweitern, die oft als Absinken des Normalniveaus in den negativen Bereich betrachtet werden, hier als ganz wichtiger Teil des Lebens erklärt werden.
"Erschöpft ist der Mensch, der des Glücklichseins von Zeit zu Zeit müde wird.
Er wird zum Opfer seiner Lust Wut und ist froh, sich endlich seiner Unlust hingeben zu dürfen,
die ihm keine Anstrengung andauernden Frohsinns mehr abverlangt.
Das Traurig Sein wird zu seiner Rückfallposition.
Endlich darf er die andere Seite in sich ausleben"
Was hat man denn nun wirklich? Melancholie, Depressive Verstimmung, Depression oder Burnout?
Besonders gut gefallen hat mir seine klare Definition und die Unterschiede von Melancholie, Depression, depressiven Verstimmungen und Burnout, die vielen Menschen völlig unbekannt ist.
"Für die einfache Erschöpfung genügt die Auszeit,
ein wenig Erholung und ein Bemühen um die Selbstfreundschaft,
die eine größere Aufmerksamkeit auf sich und einen besseren Umgang mit sich ermöglicht.
Für die völlige Erschöpfung, die chronisch wird, kann die Behandlung ungleich schwieriger sein;
eine Rückkehr ins Leben, wie es gelebt worden ist,
erfordert eine anhaltende Unterstützung durch Andere".
In unserer Gesellschaft, in der die Maximierung von Glücksgefühlen als grundlegender Wert verkauft wird, der dem Leben erst seinen wirklichen Sinn verleiht, hebt sich diese Lektüre als ein gut argumentierter Gegenpol ab. Wenn man sein Leben nur in permanenter Lebensfreude erleben will, hängt die Latte so hoch, dass man sich zwangsläufig genau damit unglücklich macht. Man versteht bei seiner Erläuterung, warum es besser und sogar sinnvoll ist, den natürlichen und naturgegebenen Unglücksgefühlen ihren Raum zu geben und sie als Bestandteil des eigenen Lebens zu akzeptieren.
Und manchmal ist das Verharren in einer Traurigkeit oder Melancholie durchaus kraftschöpfend. Er bricht die Lanze für Melancholiker, deren großes zu erhöhter Sensibilität er historisch aufzeigt, ebenso wie ihr Gespür für Sinn und dessen Fehlen in einem leben.
Er verkennt keineswegs, dass es neben den "Depressionen", die vielfach heute fast schon inflationär so viele Menschen haben, auch d i e "Depression" (die endogene, larvierte etc.) gibt, die eben wirklichen Krankheitscharakter hat.
Glück ist wichtig, aber noch wichtiger ist der Sinn, den man im eigenen Leben spürt
Er zeigt mit sehr anschaulichen Hinweisen auf, wie wichtig die Sinnfrage des eigenen Lebens ist, wo es im eigenen Leben an Sinn mangelt und wie man sich motivieren kann, daran etwas zu ändern.
Die kommende Zeit der Melancholie
Dieses Kapitel empfand ich anders als die anderen. Hier geht er auf ein Thema ein, dass oft weithin von uns allen völlig verdrängt wird: die Bedrohung durch die ökologische Entwicklung, und die Ohnmacht und Melancholie dabei und deshalb.
Wie Sie - nicht nur dieses Buch für sich nutzen können
Das Buch kann entlasten, Mut machen und dabei helfen, mit eigenen melancholischen Anwandlungen besser umzugehen, denn diese dürfen sein, gehören dazu, man ist keinesfalls allein damit. Sie kennzeichnen eine hohe Wachsamkeit und Sensibilität.
Wer gerne über sich reflektiert, hat hier die Zeit, mit Stift und Papier oder am PC einmal selbst über eigene Erlebnisse mit seinen Gedanken Überlegungen anzustellen:
- wo und wie habe ich das auf meine Weise erlebt,
- wie bin ich damit umgegangen
- wieso stimme ich ihm zu und
- wo ärgert er mich mit seinen Aussagen und warum?
Diese Art der Reflektion kann das Gelesene vertiefen und besser in Ihrem Gedächtnis verankern. Und manchmal hilft es, sich daran zu erinnern. Möglichkeiten dafür haben wir heute genug!
Gehen Sie doch einfach mal in den Dialog mit sich selbst, und schauen Sie, ob dann nicht noch mehr vom weisen Inhalt als weitergehende Lebenshilfe bei Ihnen hängen bleibt.
Ich wünsche Ihnen einsichtsreiches Lesen und Verstehen!